„Es kursieren Aufrufe mit Umsturzphantasien. Es bilden sich extremistische Gruppen, ethnisch-nationalistische Symbole werden offen zur Schau gestellt. Es wird deutlich, dass in den letzten Jahren etwas ins Wanken geraten ist, nämlich die Abgrenzung zwischen legitimem demokratischem Protest und Meinungsfreiheit.“
Manchmal muss man die Aufgeregtheiten ein paar Tage lang sacken lassen.
Dass es Bauern am Fähranleger Schlüttsiel gegeben hat, als Habecks Fähre anlegte, ist unbestritten. Über deren Verhalten gehen die Erzählungen weit auseinander. Vom brutalen Sturm auf die Fähre bis zur friedlichen Demonstration ist alles zu finden, und es werden überall Videos verbreitet, mit denen mal diese, mal jene Version belegt wird. Der von Springer geschasste Reichelt hat gar ein eigenes Video ins Netz gestellt, mit dem Titel: DAS BEWEIS-VIDEO, in dem behauptet wird: Regierung lügt. Es gab keine Gewalt gegen Habeck.
Dann hieß es, die in Schlüttsiel anwesende Polizei, es sollen etwa 20 Beamte gewesen sein, habe keinen Grund zum Eingreifen gesehen, und wenig später hieß es, die Flensburger Staatsanwaltschaft sähe es als vollkommen unbestritten an, “dass wir da Straftatbestände haben.”
Da rätselt man dann herum, was von alledem wohl stimmen möge, und versteht die Aufregung der amtierenden Politiker über die ungeheuerlichen Vorgänge, weil sie sich ja ebenso einseitig informieren, wie die aufgeregten Verteidiger der Bauern, nur halt leider aus jeweils unterschiedlichen Quellen.
Es ist wie bei allen unerwünschten Demonstrationen. Die Aussagen gehen auseinander. Sprechen die Veranstalter von 10.000 Teilnehmern, so will die Polizei nur 4.000 gezählt haben, spricht die Polizei von Randale und Sachbeschädigungen, erklären die Veranstalter, die Demo sei ganz überwiegend friedlich verlaufen. Gut dran ist da nur, wer sich von Widersprüchen nicht irritieren lässt, das glaubt, was in sein Weltbild passt, und sich ausschließlich bei den Medien seines Vertrauens informiert.
Doch es gibt in der Sache nicht nur divergierende Wahrnehmungen und daran anknüpfende Spekulationen, sondern auch eine von keiner Seite bestrittene Tatsache, nämlich Habecks zweifelsfrei belegte Aussage, in der er die Begebenheit von Schlüttsiel so interpretiert:
„Es kursieren Aufrufe mit Umsturzphantasien. Es bilden sich extremistische Gruppen, ethnisch-nationalistische Symbole werden offen zur Schau gestellt. Es wird deutlich, dass in den letzten Jahren etwas ins Wanken geraten ist, nämlich die Abgrenzung zwischen legitimem demokratischem Protest und Meinungsfreiheit.“
Das sind drei Sätze, die natürlich in einem gemeinsamem Kontext stehen und daher nicht aus diesem Zusammenhang gerissen werden dürfen. Da es sich allerdings um drei Tatsachenbehauptungen handelt, sehe die Notwendigkeit, zumindest die von Habeck in den Raum gestellten Tatsachen, so weit mir das möglich ist, auf ihren Wahrheitsgehalt abzuklopfen.
A) Habeck behauptet, es sei deutlich (erkennbar) geworden, dass die Abgrenzung zwischen legitimem demokratischem Protest und Meinungsfreiheit ins Wanken geraten sei.
Was mag Habeck damit meinen?
Ich bin kein ausgewiesener Kinderbuchautor, doch mein Sprachverständnis sagt mir, wenn es einer Abgrenzung zwischen “legitimem demokratischen Protest” einerseits, und “Meinungsfreiheit” andererseits bedarf, und wenn diese Abgrenzung ins Wanken geraten könne, dass Habeck die Meinungsfreiheit im Rang weit hinter dem legitimen demokratischen Protest stehen sieht, wenn er “Meinungsfreiheit” nicht gar als illegitim, oder undemokratisch, oder illegitim und zugleich undemokratisch anzusehen geneigt ist.
Das allerdings stünde konträr zu meiner Auffassung, dass überhaupt nur die “Meinungsfreiheit”, und der damit verbundene Austausch von Meinungen dazu führen kann, dass übereinstimmende Meinungen wahrgenommen werden können – und – sollten diese übereinstimmenden Meinungen Kritik an Zuständen oder Absichten zum Inhalt haben, sich daraus so etwas wie legitimer demokratischer Protest entwickeln kann. Wobei der demokratische Protest seine Legitimation nicht aus der Genehmigung durch Behörden und der Einhaltung von gegebenenfalls verhängten Auflagen bezieht, sondern aus den zugrundeliegenden Umständen und der berechtigten – oder auch unberechtigten – Kritik daran. Das Grundgesetz sagt dazu unmissverständlich:
(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.
(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.
Dass von der “Kann-Bestimmung” aus Satz 2 nach 75 Jahren Grundgesetz längst im Übermaß Gebrauch gemacht wird und Satz 1 damit weitgehend aufgehoben wurde, ist meine wertende Meinung dazu. Dieser, meiner Meinung, steht sicherlich die Meinung vieler Innenminister entgegen, dass die Gesetze zur Beschränkung der Versammlungsfreiheit längst noch nicht ausreichen, um die Demokratie zu schützen.
Natürlich schließt das Grundgesetz Versammlungen, bei denen weder Transparente noch Trillerpfeifen mitgeführt werden und die Teilnehmer ohne jede Unmutsäußerung einfach nur stillschweigend versammelt verharren, nicht aus, doch dem Sinn nach handelt es sich bei dem, woran die Väter des Grundgesetzes gedacht haben, vornehmlich um Versammlungen, die den Zweck haben, Kritik und Unmut zu artikulieren, um Verantwortliche zu Korrekturen zu bewegen.
B) Habeck behauptet: “Es bilden sich extremistische Gruppen, ethnisch-nationalistische Symbole werden offen zur Schau gestellt.”
Bei diesem Satz kommt es auf die Interpunktion an. Ich habe ihn an mehreren Stellen so gefunden, wie hier wiedergegeben, also als zwei durch ein Komma getrennte Hauptsätze, was bedeutet, dass die offene Zurschaustellung ethnisch-nationalistischer Symbole als Begründung, bzw. Beweis für die Aussage, es bildeten sich extremistische Gruppen angeführt wird.
Sollte Habeck in seiner Rede jedoch einen Punkt dazwischen gesetzt haben, würden beide Aussagen in Form einer losen Aufzählung annähernd gleichberechtigt nebeneinander stehen. Aber das sind im Grunde Haarspaltereien.
Das Hauptaugenmerk sollte auf “ethnisch-nationalistischen Symbole” gerichtet werden, die – um es salopp auszudrücken – offenbar zum illegitimen und undemokratischen Teufelswerk gezählt werden müssen. Inwieweit dies auch auf “nur ethnische” oder “nur nationalistische” Symbole zutrifft, sollte Herr Habeck gelegentlich erläutern, vor allem aber, was denn eigentlich unter “ethnisch-nationalistischen” Symbolen verstanden werden sollte.
Ich weiß es nicht.
Es gibt in Deutschland, und sicherlich auch unter den deutschen Bauern, eine ganze Reihe verschiedener Ethnien. Alleine in Bayern ist man immer noch stolz auf seine drei Stämme, Altbayern, Franken und Schwaben, die wiederum eine fröhlichen Erbfeindschaft mit allen Preussen pflegen. In Schleswig Holstein gibt es die real existierende, autochthone ethnische Gruppe der dänischen Südschleswiger (danske sydslesvigere) und in der Lausitz finden sich die westslawischen Sorben, die zweifellos ebenfalls als Angehörige ihrer Ethnie beachtet werden wollen. Was wären da die ethnischen Symbole? In Ehren gehaltene Trachten? Lukullische Spezialitäten? Besonderheiten in Sprache und Dialekten? Die bayerischen Landesfarben?
Was ist da dran verwerflich?
Natürlich gibt es nach der Lesart linksgrüner Ideologen überhaupt nur vollkommen ununterscheidbare Menschen, die dennoch gelegentlich zu unterscheiden sind in ethnische POC und ethnische AWM, während in diesen beiden Ethnien wiederum LSBTiq und hS auftreten, zwischen denen jeweils ein Diskriminierungsgefälle dergestalt herrscht, dass hS alls LSBTiq und AWM alle POC diskriminieren, während AWM grundsätzlich nicht diskriminierbar sind.
Hieraus könnte abgeleitet werden, dass ein unbedecktes, weißhäutiges Gesicht als ethnisches Symbol angesehen werden könnte, wie andererseits die Regenbogenflagge vielleicht auch.
Zieht man in Betracht, dass die Bauern in Schlüttsiel zwar – vor allem wegen der Kälte – vollständig vermummt aufgetreten sind, aber dennoch ihre weiße Gesichtshaut offen zur Schau gestellt haben, dann dürfte das als einheitliches Erkennungszeichen jener extremistischen Gruppen gewertet werden, die sich, laut Habeck, gebildet haben.
Wie wird aus diesem ethnischen, vielleicht auch multiethnischen (siehe Bayern, Preussen, Sorben, südschleswiger Dänen) Symbol nun aber ein ethnisch-nationalistisches?
Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz hat eine griffige Definition für Nationalismus veröffentlicht:
“Nationalismus wird definiert als Ideologie, die die Merkmale der eigenen ethnischen Gemeinschaft (z.B. Sprache, Kultur, Geschichte) überhöht bzw. absolut setzt. Diese Ideologie gipfelt in dem übersteigerten Verlangen nach der Einheit von Volk und Raum. Nationalisten erheben die eigene Nation über andere und definieren sie als höchstes Ziel, dem der einzelne alle anderen Ziele unterzuordnen habe. Diejenigen, die angeblich nicht zur deutschen Nation gehören, werden ausgegrenzt, als minderwertig angesehen oder gar verfolgt.”
Interessant, dass es diesen – vom Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz beschriebenen – Nationalismus ausschließlich bei Deutschen geben kann. Sonst könnte da nicht stehen: “Diejenigen, die nicht zur deutschen Nation gehören, werden …”
Nun sind wir wieder am Anfang, am Fähranleger von Schlüttsiel. Man kann die Situation so verstehen, dass die alten, weißgesichtigen, als Ethnie identifizierten Männer, die sich an Land aufgehalten haben, eine auf der Fähre befindliche Person als ihnen nicht zugehörig tatsächlich ausgegrenzt, sie möglicherweise sogar auch als minderwertig angesehen haben und diese Person mutmaßlich auch verfolgt hätten, hätte die Fähre nicht rechtzeitig wieder abgelegt.
Um darin aber etnischen Nationalismus zu erkennen, hätte die besagte Person nicht zur deutschen Nation gehören dürfen.
Ist es möglich, dass hier gleich ein doppelter Interpretationsirrtum vorliegt, nämlich dergestalt, dass
die betreffende Person überzeugt war, aufgrund ihrer früheren Äußerungen, sie – die Person – könne mit Deutschland nichts anfangen, werde sie von den Protestierenden als nicht der deutschen Nation zugehörig angesehen und daher verfolgt, womit der Protest als solcher schon die nationalistische Komponente der ethnisch-nationalistischen Symbolik sei,
während die weißgesichtigen Bauern überzeugt waren, die betreffende Person stehe als Minister quasi stellvertretend für die Administration dieser deutschen Nation, von der sie sich durch Regierungshandeln zu Unrecht ausgegrenzt, als minderwertig angesehen und verfolgt fühlen.
C) Habeck behauptet: Es kursieren Aufrufe mit Umsturzphantasien.
Heinrich XIII sitzt ein. Von daher droht also keine Umsturzgefahr.
Ich weiß ja nicht, in welchen Zirkeln sich Habeck so bewegt, aber die FDP hat sich doch gerade in der Mitgliederversammlung dagegen entschieden, die Ampel zu verlassen. Droht die Gefahr davon, dass es zwei neue Parteien geben wird, die sich zum Ziel gesetzt haben, die Ampel abzulösen? Enthalten die Aufrufe, Wagenknecht oder Maaßen/Krall zu wählen, schon Umsturzphantasien?
Ich habe Augen und Ohren offen, und was da öffentlich kursiert, das sind alles Aufrufe, die Amtszeit der Ampel auf demokratischem Wege zu beenden und sie keinesfalls nach dem regulären Ablauf noch einmal um vier Jahre zu verlängern.
Ich hoffe im Interesse von Robert Habeck, dass es nicht das ist, was er in seiner Phantasie als Umsturzphantasien erkannt zu haben glaubt.
FAZIT
Ich glaube ja nicht an Horoskope. Aber was für die Jungfrau Robert Habeck für die nächste Woche bei Cosmopolitan unter Beruf verkündet wird, sollte er sich vielleicht doch zu Herzen nehmen.
In dieser Woche fühlst du dich zwiegespalten. Auf der einen Seite hast du den Eindruck, dass deine berufliche Situation sich verbessern könnte. Achte auf die subtilen Zeichen und Anzeichen dafür, dass sich Dinge positiv entwickeln könnten. Andererseits könnte es in Bezug auf deine Finanzen Unstimmigkeiten geben und unerwartete Ausgaben könnten dein Budget überfordern. Bleibe aber weiterhin optimistisch und nimm dir am Wochenende Zeit zum Entspannen.
Alles wird gut, du musst nur lernen zu vertrauen!