Die Rente mal wieder …

Ein Brief, geschrieben von 38 Wissenschaftlern des wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, ist laut BILD auf dem Schreibtisch von Robert Habeck angekommen. Der Inhalt ist allerdings überraschend. Es geht nicht um die Fragen von Rezession und Deindustrialisierung, es geht noch nicht einmal um die Probleme beim Tempo des Ausbaus der Windkraft, beim Trassenbau oder der Entwicklung von Stromspeichern hoher Kapazität, es geht, man höre und staune, um die Rente.

Unterstellt, die 38 Unterzeichner hätten diesen Brief geschrieben, weil Robert Habeck sie darum gebeten hatte, müsste man davon ausgehen, dass der Superminister versucht, dem Minister für Arbeit und Soziales die Kompetenz zu bestreiten und ihm Kompetenzen streitig zu machen.

Nehmen wir zu Habecks Gunsten an, die Wissenschaftler hätten den Brief aus eigenem Antrieb geschrieben. Dann ist die Kernaussage,

die im Koaltionsvertrag festgezurrte Rentenuntergrenze, von 48 Prozent des letzten Einkommens

(Anmerkung: die aber nur bei einer lupenreinen Versicherungshistorie überhaupt erreicht werden kann, und die deutschen Rentnern innerhalb der EU trotzdem noch das Alleinstellungsmerkmal “größter materieller Absturz bei Renteneintritt” verschafft),

sei nicht zu halten, im Grunde ziemlich kalter Kaffee.

Das wissen wir schon lange, und wir wissen auch, wie die Regierungen seither damit umgegangen sind. Sie haben an der Rentenformel gedreht, die Auszahlung vom Monatsersten auf den Monatsletzten verschoben, die Renten der Steuerpflicht unterworfen, das Renteneintrittsalter erhöht und den Bundeszuschuss ausgeweitet, ohne damit jedoch bis heute den Betrag zu erreichen, den der Staat den Beitragszahlern wegnimmt, indem er versicherungsfremde Leistungen ohne Gewissensbisse aus der Rentenkasse finanziert.

Dafür braucht es keine 38 Wissenschaftler. Im Grunde nicht einmal einen. Es genügen Rechenkünste auf Hauptschulniveau um die Differenz zwischen Beitragseinnahmen und Rentenzahlungen – unter Berücksichtigung der absehbaren Veränderungen beider Größen – für ein paar Jahre im Voraus zu prognostizieren.

Mein Optimismus reicht sogar soweit, dass ich davon ausgehe, dass Hubertus Heil sich Ähnliches schon länger hat ausrechnen lassen und dass er Saskia Esken und Olaf Scholz davon in Kenntnis gesetzt hat, und möglicherweise auch die unter anderem für Senioren zuständige Lisa Paus.

Nun weiß es also auch der Wirtschaftsminister.

Doch die Sorge der 38 für Robert Habeck im Beirat arbeitenden Wissenschaftler betrifft nicht die kommende Rentnergeneration. Die sorgen sich um etwas gänzlich anderes, nämlich – au weia! – um die Finanzierung der Zukunftsaufgaben!

Zukunftsaufgaben.

Windräder fördern. Solaranlagen fördern. Chipfabriken subventionieren. LNG-Terminals ausbauen. Speichertechnologien fördern. Wasserstofftechnologien fördern. Grünen Stahl fördern. Dekarbonisierung finanzieren. Bundeswehr aufrüsten. Kampf gegen rechts. Gendergerechtigkeit fördern. Gaskraftwerke subventionieren. Wärmepumpen subventionieren. Gebäudedämmung subventionieren. E-Mobilität subventionieren. Ukraine unterstützen. Wahlkampfkostenerstattung sichern. Wohnungsbau fördern. Zuwanderung ausbauen. Bahn subventionieren. Flussschifffahrt subventionieren. Lastenradfabriken ansiedeln. Autofreie Großstädte gestalten. Vegane Viehzucht fördern, und so weiter.

Die Aufzählung ist gewiss nicht vollzählig, doch zeigt sie schon als Torso, welche Fülle an Aufgaben vor dem Minister liegen.

In 17 Jahren (also 2040), so der Kassandra-Ruf der Wissenschaftler, wird Schluss sein, mit der Finanzierung deiner Zukunftsaufgaben, lieber Robert, denn dann wird die Hälfte des dann noch verfügbaren Bundeshaushalts voll als Zuschuss in die Rente fließen, wenn nicht jetzt schon diese unselige 48-Prozent-Garantie zu Fall gebracht wird.

Spätestens jetzt allerdings frage ich mich, welche Sorte von Wissenschaftlern da im Elfenbeinturm beim Wirtschaftsminister ihre Studien treiben.

Haben die noch nie davon gehört, dass Deutschland 2040 längst wieder voll erblüht sein wird? Wissen die nicht, dass der noch gar nicht beschlossene, gedeckelte Brückenübergangsindustriestrompreis schon 2030 wieder entfallen kann, weil Deutschland dann wieder Strom in Hülle und Fülle ernten und speichern und beinahe zum Nulltarif zur Verfügung stellen wird, weil die Zukunftsaufgaben dann erledigt sein werden und die Sonne auch weiterhin keine Rechnung stellen wird? Wissen die nicht, dass alle Staaten dieser Erde vor den Toren der deutschen Industrie Schlange stehen werden, um alle die Technologien zu erwerben, die Deutschland so schnell und so fulminant wieder zur Lokomotive der Weltwirtschaft gemacht haben? Wissen die nicht, dass sich schon ab 2030 alle Investoren dieser Welt gegenseitig mit Investitionen in deutsche Unternehmen übertrumpfen werden? Wissen die nicht, dass auch der bangende zukünftige Armutsrentner schon bald von der unerschütterlichen Zuversicht des Bundeskanzlers infiziert und frohen Mutes in seine Zukunft schauen wird, weil der Bund schon bald vor lauter sprudelnden Steuereinnahmen gar nicht mehr anders können wird, als nach der vorzeitigen vollständigen Tilgung der Staatsschulden die Renten auf 200 Prozent des letzten Einkommens anzuheben?

Sie müssten doch davon gehört haben, diese Wissenschaftler.

Wenn hier nicht schon wieder mit zweierlei Maß gemessen werden soll, dann sollten diese Wissenschaftler wegen Defätismus und Zukunftsleugnerei sofort aus dem Beirat des Wirtschaftsministeriums entfernt und ebenso vor Gericht gestellt werden, wie alle anderen demokratiefeindlichen Leugner auch.