Einen Jux will er sich machen
So überschrieb Nestroy die Posse über den mit seinem Leben unzufriedenen Kaufmannsgehilfen Weinberl, der eines Tages, statt seine Pflichten wahrzunehmen, zusammen mit dem Lehrbuben in die Hauptstadt zieht, um endlich einmal ein verfluchter Kerl zu sein.
Ich weiß nicht, wie unbefriedigend das Leben eines Kinderbuchautors sein kann. Dass aber Robert Habeck, zusammen mit einem größeren Anhang, in die Hauptstadt gezogen ist, um das Land einmal so richtig aufzumischen, das scheint wahr zu sein, obwohl davon auch die Qualitätsmedien berichten.
Nun stellt er fest, dass er tatsächlich geworden ist, was Nestroys Weinberl werden wollte, nämlich ein im Wortsinn von vielen verfluchter Kerl.
So steht er nun, vermeint er, im Zentrum der Polarisierung, und gefragt, warum das so sei, hat er drei Sätze von solcher Anmut und Schönheit von sich gegeben, dass man vor Ehrfurcht niederknien möchte.
Die drei Sätze kommen auch gleich, doch vorher soll überlegt werden, was denn wohl ein Zentrum der Polarisierung sein könnte. Im wörtlichen Sinne wäre die Polarisierung wohl die Bildung von Polen, also von sich entgegengesetzten Endpunkten, wie es auf der Erde Nord- und Südpol sind, oder in der Physik Plus- und Minuspol eines Stabmagneten. Das Zentrum dazwischen wäre dabei neutral und vollständig wirkungslos.
Im übertragenen Sinne handelt es sich um die Verstärkung von Meinungsunterschieden, um das bis zur Sprachlosigkeit fortschreitende Auseinanderrücken von zum Beispiel rechts und links, das sich an ideologischen Unterschieden entzündet, die zwar schon vorhanden waren, mit einem neuen Thema aber noch deutlicher zum Vorschein kommen. Da entspricht das Zentrum der Frontlinie und die ist vom umstrittenen Thema besetzt. Sollte Habeck tatsächlich im Zentrum der Polarisierung stehen, dann kann eigentlich nur er, als Person, das umstrittene Thema sein, und nicht das Fachthema für das er eintritt, denn damit wäre er einem der Pole zuzuordnen.
Also, gefragt, warum seine Politik im Zentrum der Polarisierung stehe, antwortet er ich-bezogen folgendes.
Das erscheint auf den ersten Blick paradox, lässt sich aber erklären.
Nein, das erscheint überhaupt nicht paradox, denn ein Thema oder eine Politik können bei der Polarisierung durchaus im Zentrum stehen.
Der größte Gegner der Polarisierung ist ja nicht der andere Pol, sondern es sind diejenigen, die keine Polarisierung wollen.
Man kann diesen Satz nicht anders lesen, als dass Robert Habeck, als glühender Verfechter der Polarisierung bemüht ist, auch noch die letzten sachlich argumentierenden Politiker aus ihrer ruhigen, bedachtsamen Betrachtungsweise herauszureißen und sie dazu aufstacheln will, sich für eine Seite, möglichst natürlich seine, zu entscheiden und an der Verstärkung der Meinungsverschiedenheiten mitzuwirken.
Diese erste Einschätzung versucht Habeck aber nun mit dem dritten Satz wieder vollständig zu entkräften. Da sagt er nämlich, ich-bezogen, folgendes:
Wenn du versuchst, ein Land zusammenzuführen, wirst du Teil der Spaltung, weil die Spalter dich zum Feinbild machen.
Ich entnehme diesem Satz die für mich überraschende Erkenntnis, dass Robert Habeck offenbar meint, das Land (vermutlich sollte das “die Menschen” heißen) zusammenzuführen. Ich entnehme diesem Satz zudem, dass Habeck glaubt, vor seinem Erscheinen in Berlin seien die Menschen von Spaltern auseinandergetrieben worden, Spalter, die ihre Befriedigung aus der Spaltung ziehen, und jeden anfeinden, der versucht Brücken zu bauen und Verständigungen zu ermöglichen.
Habeck sieht sich doch tatsächlich nicht als Täter, sondern als Opfer, und das im Zentrum der Polarisierung, deren größte Gegner jene sind, die keine Polarisierung wollen.
Das kostet jetzt allerdings wirklich Mühe. Wenn Habeck die Menschen zusammenführen will, dann will er keine Polarisierung, sondern sieht sich als einen der größten Gegner der Polarisierung. Andererseits sind doch nach meinen Sprachverständnis die Spalter diejenigen, deren Spaltungswirken die Polarisierung zu verdanken ist.
Neu aufdröseln:
Es gibt zwei Pole, die aus der Polarisierung entstanden und mit der Polarisierung einverstanden sind, denn es handelt sich bei Polen eben nicht um Gegner der Polarisierung.
Zwischen beiden Polen, im Zentrum der Polarisierung, steht nun Robert Habeck, der offenbar annimmt, keinem Pol zugehörig zu sein, und versucht, die Pole zusammenzuführen. Er bemerkt, dass er das Gegenteil erreicht und dabei selbst Teil der Spaltung wird, also die Polarisierung befördert.
Nehmen wir Robert Habeck aus dem Zentrum heraus, hört die Eskalation der Polarisierung auf, setzen wir ihn wieder hinein, nimmt sie wieder zu.
Einzig logischer Schluss, wenn der Nutzen des deutschen Volkes gemehrt und Schaden von ihm abgewendet werden soll: Habeck muss zurücktreten.
Er spricht nicht die Sprache der Pole, er verkennt die Interessen der Pole, seine Pläne werden von der Gesamtheit unisono abgelehnt.
Damit hat er erreicht, was er wollte, denn er hat “das Land” offenbar doch zusammengeführt, wenn auch nur gegen sich?
Es wäre an Bundeskanzler Scholz, ihm das klarzumachen.