Wenn die BILD ein Thema herausstellt, das für den „kleinen Mann von der Straße“ schon deswegen ohne Belang ist, weil er die Zusammenhänge nicht kennt, und, selbst wenn er sie kennen würde, keinerlei Einfluss auf die Entwicklung hätte, dann muss man hinter diese Meldung ein dickes Fragezeichen setzen.
Warum informiert die BILD ihre Leser also mit krassen Worten über eine Aussage von Claudia Buch, der Vorsitzenden der Bankenaufsicht in der EZB?
Warum übersetzt die BILD die Aussagen von Frau Buch dabei auch noch in leichte Sprache?
Beispiel
Aussage Claudia Buch:
„Der Strukturwandel in der Realwirtschaft, neu auftretende Risiken, die Digitalisierung und der verstärkte Wettbewerb können die Geschäftsmodelle der Banken in Frage stellen.“
Leichte Sprache für BILD-Leser:
Heißt: Krieg, Klimawandel, Cyberangriffe, die alternde Gesellschaft können das Geschäft der Banken gefährden. Banken seien „nicht immun gegen diese Risiken und unerwartete Ereignisse.“
Stellen Sie auch fest, dass hier das Original und die BILD-Erläuterung nicht wirklich übereinstimmen?
Bild „übersetzt“
- „Strukturwandel“ mit „Krieg“,
- „Neu auftretende Risiken“ mit „Klimawandel“,
- „Digitalisierung“ mit „Cyber-Angriffe“,
- „Verstärkten Wettbewerb“ mit „alternde Gesellschaft“.
Das ist ziemlich krass – und es wäre vollkommen überflüssig, hätte BILD ganz darauf verzichtet, diese Nachricht ins Blatt zu nehmen, zumal Frau Buch selbst eher versucht, die Problematik als beherrschbar darzustellen, wenn sie sagt, die Geldhäuser seien heute widerstandsfähiger als noch vor 10 Jahren.
Aber die BILD titelt:
Brandgefährlich für die Wirtschaft!
EZB-Chefaufseherin schlägt Banken-Alarm
Liest man den Artikel ein zweites Mal, diesmal mit der Fragestellung: „Was soll das denn?“, fällt auf, dass hier nicht nur Begriffe ausgetauscht werden, sondern auch Ursache und Wirkung.
BILD informiert einleitend darüber, dass Frau Buch den Banken auf die Finger schaut und sie zu mehr Wachsamkeit ermahnt, weil mit deren Geschäftsmodell auch die gesamte Wirtschaft in Gefahr gebracht werde.
Damit wird der Sand, den die BILD versucht, ihren Lesern in die Augen zu streuen, deutlich erkennbar.
Dass die deutsche Wirtschaft schrumpft und abwandert, dass der Staat sich in rasantem Tempo verschuldet, dass die Preise stark gestiegen sind und weiter steigen, dass die Streiklust in Deutschland um sich greift, dass es die Bauern auf die Straße treibt, diese deutlichen Zeichen, dass die gesamte Wirtschaft sich in Gefahr begeben hat und droht, darin umzukommen, das hat einen einzigen Grund, nämlich die Schludrigkeit der Banken, die wachsamer sein müssten.
So nimmt die BILD die Regierung in Schutz.
Scholz, Habeck und Lindner sind unschuldig.
Das erklärt dann auch die Übertragungsfehler bei der Übersetzung in einfache Sprache.
Der von Habeck übers Knie gebrochene Strukturwandel in der Realwirtschaft, den Frau Buch erwähnte, wird demzufolge zum Ukraine-Krieg. Neu auftretende Risiken, die sich vor allem in der Energieunsicherheit ausdrücken, werden zum Klimawandel, die Digitalisierung, jenes von der Politik ebenso unverstandene wie vernachlässigte Kompetenzfeld, wird auf die Cyber-Kriminalität reduziert, und dass die deutsche Wirtschaft im verstärkten Wettbewerb bei schwindenden Wettbewerbsvorteilen alt aussieht, wird dreist mit der alternden Bevölkerung wegerklärt.
Damit aber weist die BILD – in ihrer Interpretation der Mahnung der Chefin der EZB-Bankenaufsicht – den Banken Aufgaben und Verantwortlichkeiten zu, die sich mit den Mitteln der Banken nicht wahrnehmen lassen.
Krieg?
Es ist die Bundesregierung, die alles unternimmt, um Israel und die Ukraine zu unterstützen, sollen da die Banken mit Krediten zurückhaltend sein, wenn die Regierung sogar Kredite für Investitionen in der Ukraine mit Bürgschaften absichert? Sicherer geht nicht. Die Banken wären doch verrückt! Da wird gutes Geld verdient und der Steuerzahler übernimmt das Risiko.
Klimawandel?
Es ist die Bundesregierung, die in ihrem Kampf gegen den Klimawandel den Strommangel und alle Investitionen, die zur Steigerung des Strommangels beitragen, fördert. Sollen die Banken zurückstehen, wenn der Bund Fördermilliarden für E-Mobile, Wärmepumpen, Windräder, Fotovoltaikanlagen, Wasserstoffanwendungen, grünen Stahl und grünen Zement in die Waagschale wirf? Sollen die Banken die Restfinanzierung dann verweigern? Wo doch alles so großartig gut und nützlich aussieht und sogar mit allen Mitteln auf rentierlich geschminkt ist? Man würde den Banken Sabotage vorwerfen, stünden sie nicht in der ersten Reihe, wenn es gilt das Klima zu retten. Wo fehlt es da denn an der Wachsamkeit?
Cyber-Kriminalität?
Dieses Thema bei den Banken aufzuhängen, ist schon abenteuerlich, wo derzeit praktisch im Wochentakt öffentliche Verwaltungen aller Ebenen von Cyber-Angriffen heimgesucht werden und dann tage- und wochenlang nicht mehr oder nur noch eingeschränkt arbeitsfähig sind? Sollen die Banken der übrigen Wirtschaft und der öffentlichen Hand die Cyber-Abwehr zur Verfügung stellen? Dümmer geht es kaum, aber es geht – der letzte Punkt beweist es.
Alternde Gesellschaft?
Welche Möglichkeiten, bitte, stehen den Banken zur Verfügung, um die Alterung der Gesellschaft aufzuhalten oder gar für deren Verjüngung zu sorgen? Das sind doch keine Samenbanken! Und Leihmutteragenturen sind die Banken ebenfalls nicht. Prämien für die Angestellten bei jeder Schwangerschaft wären auch kontraproduktiv, wo die Banken doch Stellen abbauen, wie verrückt. Da muss man nicht noch Nachwuchs aus den eigenen Reihen heranzüchten.
Es bleibt abzuwarten, ob und wie die Geschichte weitergesponnen werden wird.
Denkbar wäre durchaus, dass demnächst Habeck und Lindner in Interviews und Talkshows auf die von den Banken ausgehende Gefahr hinweisen, ja sogar damit argumentieren, dass die Auswanderung der Industrie hauptsächlich damit zusammenhängt, dass die Banken die Finanzierung verweigern. Das Feindbild ist geschaffen – und was braucht es dann? Munition!
Der Staat muss einspringen. Die Schuldenbremse muss fallen. Was die Banken nicht finanzieren, muss eben der Staat übernehmen.
Vergessen, dass die Banken die Finanzierung nur da verweigern, wo ihnen das Risiko zu hoch erscheint, dass sie sich also grundsätzlich so verhalten, wie die Bankenaufsicht der EZB es fordert.
Vergessen auch, dass es wieder nur die Banken sind, die das Geld zur Verfügung stellen. Nur dann ist es egal, ob die von der Ampel geförderten Projekte pleitegehen oder nicht. Die Bank hat im Staat einen sicheren Schuldner.